Sicheres Arbeiten am Strom- und Gasnetz

Veröffentlicht am: 24.04.2024

Zum Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz am 28. April berichten zwei Experten der Stadtwerke Bad Nauheim aus der Praxis

Das Thema Arbeitssicherheit ist wichtig – in manchen Berufen sogar lebenswichtig. Dazu zählen Jobs am Strom- und Gasnetz. Zwei Experten der Stadtwerke Bad Nauheim berichten, wie sie für die Sicherheit ihrer Teams bei Arbeiten an Leitungen im offenen Graben und darüber hinaus sorgen. Rainer Preiß ist Bereichsleiter Netze, Björn Burk Teamleiter der Gas- und Wasserversorgung bei den Stadtwerken Bad Nauheim.


Warum hat das Thema Sicherheit am Arbeitsplatz bei Ihnen so hohen Stellenwert?


Rainer Preiß: Beim Arbeiten mit Strom und Gas ist der Arbeitsschutz geradezu lebenswichtig. Deshalb achten wir streng darauf, dass unsere Teams alle Vorschriften einhalten. Wir arbeiten am Leitungsnetz; Unfälle können mitunter tödlich ausgehen. Das ist bei uns aber noch nie passiert, und dass das so bleibt, dafür sorgen wir jeden Tag.


Eins möchte ich vorweg betonen: Arbeitsschutz ist bei unseren Arbeiten im Strom- und Gasbereich besonders wichtig, aber auch in allen anderen Berufen und Branchen sollte dieses Thema ernstgenommen werden, selbst wenn die Gefahren vielleicht nicht so offensichtlich sind. Wir verbringen alle viel Zeit bei unserer Arbeit, umso wichtiger ist es, dass auch die Sicherheit der Arbeitnehmenden überall gewährleistet ist.


Was gehört außer passender Arbeitskleidung zum Arbeitsschutz?


Björn Burk: Für das Arbeiten im Graben sind das neben der Ausrüstung und Schutzkleidung vor allem geeignete fehlerfreie Werkzeuge. Zentral zur Unfallverhütung sind außerdem ständige Schulungsmaßnahmen. Deshalb haben wir bei den Stadtwerken Bad Nauheim ein Schulungsportal mit regelmäßigen Fortbildungen für die Mitarbeitenden. Dazu kommen viermal jährlich Präsenzschulungen, beispielsweise zu Baustellenarbeit, Baustellensicherung, zur Unterweisung von Dienstleistern und zur korrekten Herstellung der Gräben. Insbesondere für uns Führungskräfte gilt es, die aktuellen gesetzlichen Vorschriften und Regelwerke im Blick zu behalten und unsere Teams entsprechend zu instruieren.


Muss die Arbeitskleidung für die Mitarbeitenden speziell gepflegt werden?


Björn Burk: Weil beim Arbeiten mit Strom und Gas zum Beispiel Funken, Flammen und Störlichtbögen auftreten können, verfügt die Arbeitskleidung über eine Flammschutz-Beschichtung. Sie darf deshalb maximal 50-mal gewaschen werden. Das stellen wir über einen Barcode sicher. Auch die Helme dürfen nur eine gewisse Zeit verwendet werden. Regelmäßig überprüfen wir alle Geräte und Ausrüstungen.


Welche Aspekte sind für sicheres Arbeiten vor Ort besonders wichtig?


Rainer Preiß: In der Stromversorgung können und dürfen bestimmte Arbeiten auch unter Spannung ausgeführt werden. Hierfür müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen gegeben sein: Die Mitarbeitenden müssen dafür die psychischen und physischen Voraussetzungen mitbringen, auch die Wetterbedingungen müssen stimmen. Wir stellen außerdem sicher, dass nur speziell für die Arbeiten klassifizierte Werkzeuge zum Einsatz kommen und dass diese frei von Schäden sind.


Björn Burk: Bei Gas arbeiten wir ausschließlich an Leitungen im gasfreien Zustand. Es darf nur funkenfrei arbeitendes Werkzeug zum Einsatz kommen. Immer vor Ort sind Geräte zur Unterbrechung der Gasversorgung sowie Gasspürgeräte. Außerdem beaufsichtigt stets eine Person außerhalb des Grabens die Baustelle. So stellen wir sicher, dass etwa keine Unbefugten die Baustelle betreten, im schlimmsten Fall mit brennender Zigarette. Im Graben selbst sind dann aus Sicherheitsgründen immer zwei Mitarbeitende gemeinsam im Einsatz.


Und wenn es trotz aller Vorbeugung zu einem Zwischenfall im Graben kommt?
Rainer Preiß: Im Bereich Strom gelten fünf Sicherheitsregeln, die alle Mitarbeitenden vielfach und regelmäßig verinnerlichen. 1.: Freischalten. Das bedeutet das Trennen aller Pole einer elektrischen Anlage von den Teilen, die Spannung führen. 2.: Gegen Wiedereinschalten sichern. Dabei verhindern wir, etwa durch Sperrelemente, dass sich eine Anlage oder ein System versehentlich wieder einschalten kann. 3.: Feststellen der Spannungsfreiheit mit einem Spannungsprüfer. 4.: Erden und kurzschließen. Nachdem wir die Spannungsfreiheit festgestellt haben, verbinden wir die Leiter mit Erdungs- und Kurzschließeinrichtungen. 5.: Benachbarte, unter Spannung stehende Teile abdecken oder abschranken. Mit isolierenden Materialien sichern wir etwaige, unter Spannung stehende Teile in der Nähe. Das dient zum Schutz bei zufälliger Berührung der Teile.

 

Björn Burk: Wir arbeiten prinzipiell im gasfreien Zustand. Um diesen auch während der Arbeiten im Graben gewährleisten zu können, setzen wir Werkzeuge zur Absperrung der Gasversorgung ein, sogenannte Sperrblasensetzgeräte, die wir kontinuierlich überwachen. Sollte das Gasgerät einen Gasaustritt erfassen, können wir durch Absperrschieber die betroffene Straße außer Betrieb nehmen. Danach suchen wir die undichte Stelle. Bei solchen Zwischenfällen können auch Haushalte kurzzeitig von der Gasversorgung getrennt werden.


Welche Zwischenfälle kommen vor?


Björn Burk: Im Gasnetz kommt es manchmal zu geringen Undichtigkeiten. Deshalb überprüfen wir unsere Netze regelmäßig. Dabei geht man mit sogenannten Teppichsonden alle Rohrleitungstrassen ab. Unsere Gas-Netzinfrastruktur umfasst das gesamte Stadtgebiet, insgesamt kommen dort etwa185 Kilometer Gasleitungen zusammen. Die Sonden spüren selbst minimale Undichtigkeiten auf.

 

Vor fast zehn Jahren gab es eine Undichtigkeit in einem Straßenzug in Bad Nauheim. Dort liegen verschiedene Gasleitungen im Nieder-, Mittel-, und Hochdruckbereich übereinander. Weil Störungen im Hochdruckbereich gefährlich sein können, haben wir das Gebiet aus Sicherheitsgründen mit Polizei und Feuerwehr abgesperrt. Kurz vor einer Evakuierung des gesamten, dicht bebauten Viertels konnten wir Entwarnung geben: Die Undichtigkeit war in einer Niederdruckleitung, die wir schnell und mit unseren eigenen Leuten beheben konnten.


Rainer Preiß: Auch bei den Hausanschlüssen kann es zu Zwischenfällen kommen, etwa durch Erdbewegung oder Setzungen. In größerem Maßstab kann das durch Baustellen von Fremdunternehmen passieren, etwa im Telekommunikationsbereich. So wurde im vergangenen Jahr bei der Verlegung von Glasfaserkabeln im Spülbohrverfahren in eine Mittelspannungsleitung der Stadtwerke gebohrt. Ein Großteil der Kernstadt war für einige Minuten ohne Strom. Solche Zwischenfälle sind für die Stadtwerke und für die betroffenen Kundinnen und Kunden ärgerlich. Noch dazu sind sie vermeidbar: Alle Fremdfirmen sind verpflichtet, sich bei Tiefbauarbeiten über die bestehenden Leitungsnetze sowie deren genaue Lage zu informieren. Die Stadtwerke erteilen ihnen hierzu eine entsprechende Leitungsauskunft über das Bestandsnetz.


Was kann man als Bürgerin und Bürger tun, wenn Auffälligkeiten wie Gasgeruch oder eine Störung im Strom- oder Wassernetz auftreten?


Unsere zentrale Störrufnummer (06032 807-777) ist rund um die Uhr erreichbar. Der Bereitschaftsdienst kommt innerhalb von 30 Minuten, 24/7, an 365 Tagen im Jahr. Wir haben stets ein Team aus sieben Personen in der Bereitschaft, die für unsere Netze unterwegs sind. Damit gewährleisten wir, dass alle Fehler schnellstmöglich behoben werden und die Bürgerinnen und Bürger sicher und zuverlässig versorgt sind.


Bereitschaftsdienst, Arbeiten draußen bei Kälte und Hitze, das klingt herausfordernd – warum sollte man trotzdem zu Ihnen ins Team kommen?


Rainer Preiß: Gerade solche Herausforderungen schweißen unsere Teams zusammen. Das zeigt sich dann in der großen Kollegialität und Hilfsbereitschaft untereinander. Die Atmosphäre ist super, auf alle ist Verlass. Wir sind echt stolz auf unsere Teams. Dazu kommt, dass das Tätigkeitsfeld bei den Stadtwerken enorm vielfältig, spannend und zukunftsweisend ist – etwa die Aufgaben im Bereich der Energiewende, der E-Mobilität und der intelligenten Netze.


Björn Burk: Unsere beiden Teams im Gas- und Wasserbereich umfassen rund 20 Mitarbeitende, vorwiegend Ingenieure, Meister und Monteure. Dazu kommen Fachkräfte für Büro, technische Planung und Geomatik. Im Innendienst konnten wir bereits drei Frauen für diese Berufe begeistern, ab Herbst sind es vier. Auch für den Außendienst sind Frauen sehr willkommen.


Rainer Preiß: Mit gut 50 Kolleginnen und Kollegen ist rund die Hälfte aller Mitarbeitenden bei den Stadtwerken im technischen Bereich tätig. Das Aufgabenfeld wächst und wir haben großes Interesse, junge Menschen dafür zu begeistern und in allen Bereichen auszubilden. Im Bereich der Technik bilden wir Anlagenmonteure und Elektroniker für Betriebstechnik aus, neu ist auch eine Stelle für Geomatik, für die wir eine junge Frau gewinnen konnten. Wir investieren mit den Ausbildungsplätzen gezielt in die Zukunft. Ziel ist, jetzt und auch zukünftig in den vielfältigen Aufgabengebieten immer den besten Service für unsere Kundschaft zu gewährleisten.


Zum Welttag: Am 28. April ist der Aktionstag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeits-platz. Die ILO (International Labour Organisation) hat diesen Tag eingeführt, um das Thema in den Fokus von Regierungen, Arbeitgebern und Arbeitnehmenden zu rücken und damit zum Schutz von Arbeitnehmenden und zur Vermeidung etwa von Arbeitsunfällen beizutragen.
Arbeiten an

Arbeiten an der Gasleitung

Arbeiten an der Gasleitung